Isch hab Geisterblitz by Philipp Möller

Autor:Philipp Möller [Möller, Philipp]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2015-03-26T16:00:00+00:00

Kein Geld für Khalim

Am Tag der Weihnachtsfeier steigt Khalim am Kotti in mein Auto, doch als ich vorschlage, zum großen Supermarkt in der Nähe des Büros zu fahren, zeigt er mir einen Vogel.

»Bist du verrückt? Lass’ma nisch tebartzen!«

»Tebartzen?«

Ich dachte eigentlich immer, durch meinen Job als Lehrer recht sattelfest in der Jugendsprache zu sein, aber inzwischen ist offenbar zu viel Zeit vergangen, um in dieser schnelllebigen Kunst noch auf dem aktuellen Stand zu sein – umso schöner also, durch Khalim langsam wieder Anschluss zu bekommen.

»Mann, Flippo, du bist so krass old school, ja?« Er zeigt im Vorbeifahren auf eine Kirche. »Kumma, Tebartz er’s eine …« Er bricht ab und erinnert sich offenbar daran, das Subjekt in einem Satz nicht doppeln zu müssen. »Tebartz is eine Pfarrer und …«

»Ein Pfarrer, Khalim. Der Pfarrer, männlich, also lautet der Artikel: ein.« Dass der Mann kein Pfarrer ist, sondern als Bischof in der feudalen Hierarchie der katholischen Kirche deutlich weiter oben steht, ist absolut nebensächlich und würde Khalim sicher nur verwirren. »Die Artikel müssen sitzen.«

»Auf jeden.« Er holt noch einmal tief Luft. »Also, Tebartz ist ein Pfarrer, und er …«

»Tebartz ist ein Pfarrer«, unterbreche ich ihn erneut, lasse dann eine Pause und male ein Komma in die Luft, »der …«

»Tebartz ist ein Pfarrer, der überviel Geld ausgegeben hat für seinen Palast.«

Ich nicke – fürs Erste hat Khalim genug richtig gemacht –, dann redet er weiter.

»Deswegen sagt man tebartzen, wenn jemand Geld verschwendet. Gut?«

»Super, ja!«

Ich schlage mit Khalim ein und freue mich noch mehr über seinen korrekten Satz als darüber, dass es ein leitender Mitarbeiter des weltweit erfolgreichsten kommerziellen Anbieters für spirituelle Dienstleistungen geschafft hat, zum Gespött der Jugend zu werden – zu Recht.

Durch die Nebenstraßen Kreuzbergs leitet mich Khalim bis zu einem kleinen Geschäft, vor dem wir den Wagen – wie hier üblich – in zweiter Reihe parken. Über dem Eingang hängt eine beleuchtete Tafel mit arabischen Schriftzeichen darauf.

»Kumma da!« Khalim zeigt auf die Schriftzeichen. »Weißt du, was es heißt?«

Ich schüttele den Kopf, aber im Sinne der Völkerverständigung wäre es vielleicht gar nicht schlecht, auch mal etwas von Khalim zu lernen.

Er wandert mit dem Finger von rechts nach links über die Schrift und liest mir Silbe für Silbe vor. »Bin-la-den.«

»Ach echt, ja?« Ich schaue nach oben und versuche, eine Systematik in den Zeichen zu erkennen. »Und was bedeutet …?« Endlich raffe ich, dass Khalim mich verarscht. »Haha, sehr witzig!«

»Krassa Facepalm, Alta!« Khalim schlägt sich die Hand vor die Stirn, schüttelt langsam den Kopf und lacht mich aus.

Und damit nicht genug der Schmach: In dem winzigen Lädchen angekommen, begrüßt er lachend den Verkäufer und erzählt ihm brühwarm, wie er mich gerade aufs Glatteis geführt hat. Obwohl ich kein Arabisch spreche, verstehe ich diesmal jede Silbe der demütigenden Anekdote. Zusammen lachen sie mich lauthals aus, und auch als wir schon längst durch die Regale schlendern, muss Khalim immer wieder kichern.

Als er sich endlich beruhigt hat und mit dem Einkauf anfängt, überrascht er mich jedoch wieder einmal: Ohne Einkaufszettel läuft er zielstrebig die prall und chaotisch gefüllten Regale

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